Fall Borer: Fernsehsender geben sich beim Computer-Grafiker Michael Gradias die Klinke in die Hand
Halchter: Die Fernsehsender geben sich derzeit in Halchter am Haus des Computer-Grafikers Michael Gradias die Klinke in die Hand. Gradias hat ein Foto, das den inzwischen abberufenen Schweizer Botschafter Thomas Borer (44) im Auto mit dem ehemaligen Nacktmodell Djamile Rowe (32) zeigt, als Fotomontage entlarvt.
Der Computerfachmann erhielt die Aufnahme am Donnerstag vom Schweizer
Radio DRS zugesandt mit der von Redakteur Philipp Burkhardt formulierten
Frage: "Ist dieses Foto echt oder eine Montage?"
"Schon nach zehn Minuten habe ich erkannt, dass dieses Foto eine
Montage ist. Und eine schlechte dazu", berichtete der 42-jährige
Computergrafiker.
Gefragter Bestsellerautor
Auf den Wolfenbütteler Fotospezialisten und Bestsellerautoren, der
seine 42 Bücher in sechs Ländern inzwischen schon 740000 Mal
verkaufen konnte, waren die Schweizer durch seine Fachbücher (unter
anderem "Das große Buch Flash MX" und "Professional
Studio Photoshop6") aufmerksam geworden.
Der Nachweis der Fotomontage fiel Gradias recht leicht. "Das gesamte
Foto war verwackelt, nur das Gesicht der Frau im Auto war scharf. Das
ist rein technisch nicht möglich", erklärte der Spezialist.
Selbst, wenn die Frau in dem Moment, in dem das Foto aufgenommen worden
war, eine Gegenbewegung gemacht hätte, was Gradias so unwahrscheinlich
wie einen Lotto-Gewinn ansah, dann hätte dennoch das Armaturenbrett
unter ihrem Kinn ebenfalls verwackelt sein müssen. Und das war ebenso
scharf wie das Gesicht der Frau.
Ein weiteres Indiz für die Manipulation der Aufnahme: Eine Stange,
die im Vordergrund zu sehen ist, wurde durch das aufgesetzte Gesicht der
Frau leicht eingebeult, was technisch auch nicht möglich ist, da
aus Blickwinkel des Fotografen erst die Stange aufgenommen wurde und dann
das Auto hinter der Stange.
Intensive Recherchen
"Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass dieses Foto eine Fotomontage
ist", berichtete Gradias inzwischen sowohl dem Schweizer Fernsehen,
das bei ihm am Samstag zu Filmaufnahmen zu Gast war, als auch dem deutschen
Fernsehsender Sat1, die ebenso wie der Schweizer Rundfunk und das Hamburger
Nachrichtenmagazin Stern intensiv den Borer-Fall nachrecherchieren.
Sat 1 wird am Dienstag in der Sendung Akte 2002 über den Borer-Fall
berichten. Diese Sendung wird sich Gradias auf dem Mai-Fest seines Sportvereins
HSV im Dorfgemeinschaftshaus ansehen.
Ob auf dem kompromittierenden Bild, das letztendlich zur Abberufung des
Schweizer Botschafters geführt hat, tatsächlich das ehemalige
Nacktmodell Rowe zu sehen ist, das Borer angeblich fünfmal in seiner
Berliner Residenz besucht haben soll, auch daran gibt es inzwischen Zweifel.
Gradias hat schon andere Fotos von Rowe erhalten, um die Gesichter vergleichen
zu können.
Von Karl-Ernst Hueske