Fachartikel

Von 1997 bis 2013 erschienen Artikel von mir in den Fachzeitschriften PC Praxis, Foto Praxis, Video Praxis und der Photoshop Praxis sowie der Business Praxis. Nachfolgend finden Sie alle erschienenen Artikel aufgelistet. Eine kurze Beschreibung zeigt Ihnen, worum es in dem Artikel geht. Klicken Sie einfach auf den Link, um den gesamten Artikel zu lesen. Die Bilder in den Artikeln sind mit vergrößerten Darstellungen verknüpft.

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Arbeiten mit dem RAW-Format

Arbeiten mit dem RAW-Format

Die große Fotoschule -
RAW-Format richtig nutzen:
Heft 04/2007 (S. 34) 4 Seiten

Unser Experte für RAW-Fotografie

Michael Gradias

Michael Gradias (www.gradias.de, www.gradias-foto.de) ist seit 1980 selbstständiger Grafik-Designer. Er hat seit 1997 über 75 Fachbücher im Bereich Grafik/Video/Foto geschrieben, die insgesamt über eine Million Mal verkauft wurden. Außerdem schreibt er regelmäßig Artikel für verschiedene Computer- und Foto-Fachzeitschriften wie z. B. die Foto Praxis

Vielfältig sind in den User-Foren die Diskussionen über das Für und Wider des RAW-Formats. Einige Digitalfotografen schwören auf dieses flexible Format - andere scheuen den benötigten Festplattenspeicher. Ein wenig erinnern die Diskussionen an analoge Zeiten, als die Fotografen diskutierten, ob eine eigene Dunkelkammer das Nonplusultra sei oder "Massenabzüge" vorzuziehen seien.

Es gibt lebhafte Diskussionen in den Foren: Wie sinnvoll ist der Einsatz der viel gepriesenen RAW-Bilder? Wann ist er unabdingbar, wann redundant? Einer Tatsache muss man sich bei der Diskussion bewusst sein: JPEG-Bilder sind keine verlustfreien Fotos. Auch bei einer schwachen Komprimierung gehen Bilddaten verloren. Dies ist der Kompromiss für kleinere Dateigrößen. Werden kamerainterne Bildoptimierungen eingesetzt, die viele digitale Kameras anbieten, sind diese Veränderungen endgültig am Bild angewendet - eine spätere Rücknahme ist nicht mehr möglich.

Die Ausgangssituation

Wird das RAW-Format verwendet, das von vielen digitalen Kameras angeboten wird, erhalten Sie unbearbeitete Rohdaten des Bilds. Deshalb spricht man gelegentlich von einem "digitalen Negativ". Bei der Aufnahme des Fotos werden keinerlei Bildoptimierungseinstellungen vorgenommen - dies wird später am Rechner erledigt. Außerdem haben Sie nachträglich verschiedene Möglichkeiten, um Einstellungen der Kamera anzupassen - der automatische Weissabgleich ist hierfür ein gutes Beispiel. Bevor Sie sich entscheiden, das RAW-Format zu verwenden, sollten Sie einige Überlegungen anstellen. RAW-Fotos benötigen viel Speicherplatz - je nach verwendetem Kameratyp kann die vier- oder fünffache Dateigröße entstehen. Dies bedeutet, dass große Festplattenkapazitäten erforderlich sind. Dieser "Nachteil" relativiert sich allerdings durch die inzwischen sehr preisgünstigen Festplatten mit großer Kapazität. 400 GByte sind heute fast schon zum Standard geworden. Die ersten TByte-Festplatten sind inzwischen auch erhältlich. Dennoch verzögert sich durch die größeren Dateigrößen der gesamte Arbeitsprozess. Dies beginnt bereits bei der Aufnahme. Werden etwa bei der Sportfotografie eine große Anzahl an Fotos nacheinander geschossen, dauert das Speichern auf der Speicherkarte bei RAW-Fotos natürlich länger als bei den komprimierten JPEG-Bildern. Ist der kamerainterne Pufferspeicher voll, können keine weiteren Fotos aufgenommen werden. Daher sind RAW-Fotos beispielsweise bei der Sportfotografie nur sehr bedingt zu empfehlen. Bei statischen Motiven - wie etwa Naturfotos - spielt dieses Manko natürlich keine Rolle.

Arbeiten mit dem RAW-Format
Bei der Sportfotografie sind RAW-Fotos wegen der großen Dateien eher ungeeignet

Nächster "Flaschenhals" ist das Übertragen der aufgenommenen Fotos auf den Rechner. Durch die größeren Dateien nimmt der Übertragungsvorgang mehr Zeit in Anspruch. Auch die spätere Bearbeitung der größeren Bilder erfordert mehr Zeit. Haben Sie einen schnellen modernen Rechner mit großem RAM-Speicher zur Verfügung, sollte dieser Nachteil allerdings kaum ins Gewicht fallen. Gegner des RAW-Formats führen als Nachteil auch oft an, dass eine spätere Bearbeitung zwingend nötig ist. RAW-Bilder können ohne weitere Konvertierung nicht weiterverarbeitet werden. Auch ohne nachträgliche Bearbeitung müssen Sie also Zeit investieren, um die Fotos für weitere Einsätze verfügbar zu haben. Solche Konvertierungsaufgaben lassen sich aber leicht mit den Makrooptionen von Bildbearbeitungsprogrammen erledigen. Werden RAW-Fotos aber nur zur Weiterverarbeitung konvertiert, haben Sie keinen Vorteil gegenüber "normalen" Fotos. Es gibt verschiedene Kameras, die neben der ausschließlichen Speicherung von RAW-Daten zusätzlich auch ein JPEG-Foto auf der Speicherkarte sichern. Dies ist eine durchaus nützliche Option. So lassen sich die JPEG-Bilder schnell sichten und bearbeiten. Werden für ein Foto einer Aufnahmeserie aber RAW-Optionen benötigt, kann in diesen Fällen auf die RAW-Variante zurückgegriffen werden. Bei dieser Variante wird selbstverständlich noch mehr Speicherplatz benötigt, da ja zwei Bilder für jedes Foto gesichert werden. Die höhere Bearbeitungsgeschwindigkeit kann dies aber ausgleichen. Interessant wird das RAW-Format, wenn das verwendete Kameramodell eine Komprimierung der Bilddaten anbietet. So lässt Nikons D200 die RAW-Daten beim Aktivieren der entsprechenden Option auf die halbe Dateigröße schrumpfen. Damit sind die RAW-Fotos nur noch ungefähr doppelt so groß wie die JPEG-Pendants. Natürlich geht jede Komprimierung mit einem Datenverlust einher. Andernfalls könnte die Dateigröße ja nicht reduziert werden. Aber selbst bei starken Ausschnittsvergrößerungen ist der Verlust nicht erkennbar. So ist dies eine interessante Möglichkeit, die die bisher beschriebenen Geschwindigkeitsnachteile minimiert. Bleibt zu hoffen, dass zukünftig der überwiegende Anteil der digitalen Kameras derartige Optionen anbietet.

Arbeiten mit dem RAW-Format
Die Nikon D200 bietet eine interessante RAW-Option an. Die RAW-Daten lassen sich komprimieren.

Die Vorteile

Seit es das RAW-Format gibt, werden Diskussionen um die Vorteile geführt. Die Freunde des RAW-Formats loben die vermeintlichen Vorteile in allerhöchsten Tönen - andere Fotografen belächeln die Argumentation. Eins muss eindeutig festgestellt werden: Wenn Sie stets einwandfrei belichtete Fotos bei guten Außenbedingungen (z. B. strahlendem Sonnenschein) machen, können Sie sich das Sichern im RAW-Format sparen. In diesen Fällen verschenken Sie lediglich Speicherkapazität, ohne weitere Vorteile zu besitzen.

Arbeiten mit dem RAW-Format
Wenn Sie stets perfekt belichtete Fotos machen, ist das RAW-Format wenig interessant.

Es gibt in vielen Themenbereichen der Fotografie "kniffelige" Situationen, die besondere Belichtungsparameter erfordern. Gegenlichtaufnahmen sind ein solches Beispiel. Für solche Aufgabenstellungen bieten die gängigen Kameras verschiedene Korrekturmöglichkeiten an. So lassen sich beispielsweise Belichtungskorrekturen vornehmen oder Belichtungsreihen erstellen, um nachträglich die geeignete Aufnahme aussuchen zu können. Für solche Situationen lässt sich ein Vorteil von RAW-Fotos nutzen. Sie können nämlich nachträglich "Belichtungskorrekturen" vornehmen - und das sogar um bis zu zwei Blendenstufen. So sind die Belichtungsreihen entbehrlich - Sie nehmen die entsprechende Korrektur einfach nachträglich am Rechner vor und brauchen sich während der Aufnahme keine Gedanken um die "perfekte" Belichtung zu machen.

Arbeiten mit dem RAW-Format
Schwierige Lichtverhältnisse lassen sich mit den Vorteilen des RAW-Formats prima meistern.

ISO-Empfindlichkeit erhöhen

Die Möglichkeit der nachträglichen "Belichtungskorrektur" lässt sich übrigens gut für einen Trick nutzen, um die ISO-Empfindlichkeit zu erhöhen - die verminderte Bildqualität darf Sie dabei allerdings nicht stören. Verwenden Sie den maximalen ISO-Wert, den Ihre Kamera anbietet. Stellen Sie eine Belichtungskorrektur ein um das Foto um bis zu zwei Blendenstufen unterzubelichten. So lässt sich die Belichtungszeit verkürzen - was bei schwierigen Lichtverhältnissen von großem Vorteil ist. Stellen Sie dann beim Öffnen des Fotos im mit der Kamera mitgelieferten Bildbearbeitungsprogramm eine Belichtungskorrektur von bis zu +2 Blendenstufen ein, um wieder eine korrekte Belichtung zu erhalten. Mit dem erhöhten Bildrauschen bei dieser hohen Empfindlichkeit müssen Sie sich natürlich abfinden. Ehe Sie aber eine Situation wegen Lichtmangel gar nicht fotografieren können, ist dieser Trick ein probates Mittel, um dennoch zur gewünschten Aufnahme zu kommen.

Arbeiten mit dem RAW-Format
Gegenlichtaufnahmen erfordern oft Belichtungskorrekturen, die sich beim RAW-Format leicht nachträglich erledigen lassen.

Etwaige Korrekturmöglichkeiten bezüglich des Farbtons oder der Sättigung sind kein ausschließlicher Vorteil von RAW-Fotos - diese Bildoptimierungen können Sie genauso gut bei jedem JPEG-Foto vornehmen. Dies gilt ebenso für das nachträgliche Schärfen von Fotos. Auch Korrekturen, die nur die Lichter oder Tiefen eines Fotos berücksichtigen, lassen sich an allen Fotos durchführen - unabhängig davon, ob es sich um RAW-Fotos handelt, oder nicht. Es lässt sich übrigens relativ leicht prüfen, ob es sich bei einer Bildbearbeitungsfunktion um einen "wirklichen Vorteil" für das RAW-Format handelt, oder nicht. Wird eine der oft vielfältigen Funktionen der RAW-Bildbearbeitungsprogramme sowohl für JPEG- als auch für RAW-Fotos angeboten, kann es sich nicht um einen besonderen Vorteil des RAW-Formats handeln. Es gibt meist nur vereinzelte Funktionen, die beim Öffnen von JPEG-Fotos nicht verfügbar sind.

Ein wirklicher Vorteil bei der "High-End"-Bearbeitung von RAW-Bildern besteht in der größeren Farbtiefe, die RAW-Fotos meist besitzen. Oft werden nicht die üblichen 8 Bit pro Kanal aufgezeichnet, sondern 16 Bit. So entsteht eine drastisch höhere Anzahl an Farbtonnuancen, die mehr Details in den Bildern wiedergeben können. Leider werden von vielen Bildbearbeitungsprogrammen nur wenige Funktionen für die höhere Farbtiefe bereitgestellt. Weitere Nachteile dieser Option bestehen darin, dass die Wiedergabegeräte - wie etwa der Monitor oder ein Tintenstrahldrucker - diese Farbtiefe nicht unterstützen, sodass ein vermeintlich großer Vorteil in der Praxis kaum nutzbar ist. Für den "Normal-User" wird diese Option daher in der Praxis eher unbedeutend sein.

Arbeiten mit dem RAW-Format
Die vielen Optionen einiger Programme täuschen oft - sie sind sowohl für JPEG- als auch für RAW-Bilder verfügbar.

Weißabgleich

Einer der wichtigsten Vorteile der RAW-Fotografie ist die nachträgliche Wahl der geeigneten Weißabgleichseinstellung. In der analogen Fotografie wurden unterschiedliche Lichtverhältnisse durch die Wahl eines entsprechenden Films korrigiert. Um Farbstiche zu vermeiden, die bei Fotos bei Kunstlicht zwangsläufig entstehen, wurde einfach ein passender Filmtyp verwendet, der diesen Farbstich korrigierte. Wollte der Fotograf dagegen genau diese "Kunstlichtstimmung" einfangen, verwendete er einen "Tageslichtfilm". So zeigten beispielsweise Kerzenlichtaufnahmen einen deutlichen rötlichen Farbstich.

Diese Vorgehensweise ist bei der digitalen Fotografie völlig anders gelöst - teilweise zum Nachteil von "künstlerisch" anspruchsvollen Fotos. Licht verändert sich im Laufe des Tages. Während es beim Auf- und Untergang der Sonne eher rötlich wirkt, ist es mittags bläulich. Daher weisen zu unterschiedlichen Tageszeiten aufgenommene Fotos auch einen unterschiedlichen Farbcharakter auf. Das menschliche Auge gleicht diese "Farbstiche" der verschiedenen Tageszeiten automatisch aus. So erscheint uns ein weißes Blatt Papier immer als weiß. Bei einer digitalen Kamera ist dies völlig anders. Der automatische Weißabgleich korrigiert hier diese Farbstiche. Dabei sucht die Kamera neutrale Grautöne im Foto. Die Farbwiedergabe wird dann so eingestellt, dass diese Grautöne farbstichfrei wiedergegeben werden. So entstehen in vielen Fällen ausgewogene Ergebnisse. In der Praxis kommt es aber immer mal wieder vor, dass keine zufriedenstellende Farbwiedergabe entsteht oder eine ganz bestimmte Farbstimmung gewünscht wird. In solchen Fällen könnten Sie natürlich andere Weißabgleicheinstellungen vornehmen oder Weißabgleichs-Belichtungsreihen erstellen, wenn Ihre digitale Kamera diese Option anbietet. Sinnvoller ist in solchen Fällen aber der Einsatz des RAW-Formats. Hier werden nämlich die Weißabgleicheinstellungen nachträglich vorgenommen. So kann leicht am Bildschirm ausprobiert werden, welche Farbtemperatureinstellung am ehesten zum gewünschten Ergebnis führt.

Arbeiten mit dem RAW-Format
Soll eine bestimmte Farbstimmung erreicht werden, bietet sich das RAW-Format an.

Ein letzter Vorteil des RAW-Formats lässt sich einsetzen, wenn Ihr Kameramodell diese Option unterstützt: So lassen sich Objektivfehler korrigieren. Weisen die Ränder des Fotos beispielsweise Abdunklungen auf, lassen sich diese mit Hilfe der mitgelieferten Bildbearbeitungssoftware korrigieren. Dies ist hilfreich weil sich derartige Korrekturen "manuell" nur aufwändig durchführen lassen. Einige Kamerahersteller bieten sogar die Möglichkeit an, die natürlicherweise auftretenden Verzerrungen beim Einsatz von extremen Weitwinkelobjektiven auszugleichen.

Die Bearbeitung

RAW-Bilder haben ein Dateiformat, das nicht von jedem Bildbearbeitungsprogramm unterstützt wird. Durch die immer größer werdende Verbreitung unterstützen zwischenzeitlich aber immer mehr Bildprogramme dieses Dateiformat. Es gibt auch einige Sharewareprogramme, die RAW-Fotos lesen und bearbeiten können. Die Kamerahersteller, deren Kameramodelle das RAW-Format unterstützen liefern allerdings meist ein Programm mit, das die Daten bearbeiten kann. Das RAW-Format unterscheidet sich von Kamerahersteller zu Kamerahersteller. Während beispielsweise Canon sein RAW-Format mit der Dateiendung .cr2 versieht, benennt Nikon die Bilder mit .nef. Einige Hersteller liefern sehr aufwendige Programme mit zahlreichen Funktionen zur Bearbeitung der RAW-Bilder mit. Canons Digital Photo Professional ist ein solches Beispiel. Neben der Bildorganisation werden hier alle wünschenswerten RAW-Funktionen bereitgestellt.

Arbeiten mit dem RAW-Format
Das Bildbearbeitungsprogramm Digital Photo Professional von Canon bietet vielfältige Optionen für RAW-Fotos an.

Nikon verfolgt eine andere Strategie. Im Lieferumfang der Digitalkameras ist ein einfaches Programm zur Bearbeitung der RAW-Fotos enthalten: Picture Project. Die Bearbeitungsmöglichkeiten sind hier allerdings auf die wichtigsten Funktionen beschränkt. Sollen alle Möglichkeiten der RAW-Bildbearbeitung ausgeschöpft werden, muss der Anwender Capture NX käuflich erwerben. Das Programm bietet sehr umfangreiche Funktionen zur Bildverwaltung und -bearbeitung an. Die Anschaffung lohnt sich allerdings nur dann, wenn Sie häufig RAW-Fotos bearbeiten.

Arbeiten mit dem RAW-Format
Picture Project von Nikon bietet nur die wichtigsten Funktionen zur Bearbeitung von RAW-Bildern an.

Wollen Sie unabhängig von der mitgelieferten Kamerasoftware arbeiten, ist Photoshop interessant. Sowohl für Photoshop Elements als auch für Photoshop CS3 wird das Tool Camera RAW angeboten, das aktuell in der Version 4.0 verfügbar ist. Camera RAW unterstützt das RAW-Format vieler Kameramodelle und wird kontinuierlich aktualisiert. Das Programm unterstützt alle erdenklichen Optionen, um RAW-Fotos zu optimieren - sogar die Objektivkorrekturen lassen sich hier vornehmen. Selbst die Kamerakalibrierung wird angeboten. Wenn Sie Fotos mit hoher ISO-Empfindlichkeit aufgenommen haben, können Sie mithilfe von Camera RAW das Bildrauschen korrigieren, das bei hoher Empfindlichkeit nicht zu verhindern ist. Wenn Photoshop Ihr bevorzugtes Bildbearbeitungsprogramm ist, ist Camera RAW sicherlich die erste Wahl zur Bearbeitung Ihrer RAW-Fotos.

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