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Lektion 41: Technik: Mittelformat

Die große Fotoschule II - Mittelformat

Die große Fotoschule II:
Teil 3 - 2010
(Seite 89 / 3 Seiten)

Der Experte für Fotogrundlagen:

Michael Gradias

Michael Gradias:

"Wenn man in den Exif-Daten der Produktfotos der Hersteller für digitale Spiegelreflexkameras im Kleinbild- oder DX-Format nachschaut, kann man oft feststellen, dass die Hersteller ihre Kameras für Prospekte nicht etwa mit ihren eigenen Modellen ablichten, sondern mit Hasselblad-Mittelformatkameras."

Kultkameras im Mittelformat

Zu Zeiten der analogen Fotografie übte die Mittelformat-Fotografie einen besonderen Reiz aus – und das bis in eine Zeit hinein, in der sich die Kleinbildfilme bereits lange im Massenmarkt etabliert hatten. In diesem Lektion erfahren Sie alles Wissenswerte über dieses legendäre Kameraformat

Zu Beginn der Fotografie war Glas das erste Trägermaterial, auf dem man Fotoemulsionen unterbringen konnte. Der „Film“ war damals lediglich die dünne Schicht einer Fotoemulsion, der auf die Glasplatte aufgetragen wurde. Erst als Mitte des 19. Jahrhunderts das Zelluloid erfunden wurde, entstanden die fotografischen Filme, bei denen eine transparente Folie die Fotoemulsion trägt. Die zunächst verwendeten Platten waren sehr groß – beispielsweise 9 x 12 cm. In der Frühzeit der Fotografie waren die Platten weitaus größer. Die als Ganzplatte bezeichnete Platte maß 165 x 216 mm beziehungsweise 6,5 x 8,5 inch. Die damaligen Filme wurden nicht gerollt, sondern lagen als einzelne „Blätter“ vor, die man als Planfilm bezeichnete. Daher hießen die Kameras, die diese verwendeten, auch Planfilmkameras.

Da sehr große Aufnahmeformate entsprechend große Kameras benötigen, sind sie unpraktisch und auch kaum für den mobilen Einsatz geeignet. Im Laufe der Zeit wurden daher die Filmmaterialien immer kleiner. Ab den 1920er-Jahren entstand die Mittelformat-Fotografie, bei der die Filme auf einer Spule aufgerollt wurden. So konnte man nicht mehr nur ein einzelnes Foto aufnehmen, wie es bei den Planfilmkameras der Fall war. Dies erhöhte die Mobilität und zusätzlich waren auch die dazugehörenden Kameras viel kompakter gebaut. Filme für das Mittelformat bezeichnet man daher auch als Rollfilme. Rollfilme sind im Gegensatz zu Kleinbildfilmen nicht in einer Patrone untergebracht. Sie sind daher nicht so perfekt gegen Lichteinfall geschützt und müssen entsprechend sorgfältig behandelt werden.

Die große Fotoschule II - Mittelformat
Rollfilme (rechts) sind nicht in einer Patrone untergebracht wie die Kleinbildfilme (links)

Dem Mittelformat folgte in den 1930er-Jahre eine weitere Miniaturisierung, als der Kleinbildfilm seinen Siegeszug begann. Der Kleinbildfilm entstand als ein „Ableger“ des Kinefilms, der für die Kinofilmproduktion verwendet wurde. Daher besitzt er auch eine Perforation, die vorher unbekannt war. Der Filmtransport wurde dadurch schneller und auch präziser. Später folgten noch kleinere Formate, wie beispielsweise der APS-Film, dem aber kein so großer Erfolg mehr beschieden war, weil die digitale Fotografie bereits im Anmarsch war.

1. Das Mittelformat

Der Name sagt es schon aus: Das Mittelformat bietet Aufnahmeformate, die zwischen dem Groß- und dem Kleinbildfilmformat liegt. Die angebotenen Größen sind allerdings sehr unterschiedlich – je nach Kamerahersteller. Dabei unterschieden sich nicht nur die Maße, sondern auch die Seitenverhältnisse. Einige Formate waren sehr weit verbreitet, wie beispielsweise das 6 x 9- und das 6 x 6-Format. Die kleineren Formate wie zum Beispiel 4,5 x 6 cm kamen dagegen seltener vor. Einige analoge Fotografen bevorzugten bestimmte Formate, da durch die unterschiedlichen Seitenverhältnisse auch verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten vorhanden sind. Ein quadratisches Bild erfordert eine andere Komposition als ein rechteckiges Format

Die große Fotoschule II - Mittelformat
Mittelformatfotos gab es in unterschiedlichen Formaten wie hier 6 x 6 cm. Das Foto entstand 1991 mit einer Rolleiflex 6006, die damals recht beliebt war.

Bei Einsteiger-Kameras wurde sehr häufig das 6 x 9-Format verwendet. Dabei passten acht Fotos auf den Film. Bei Bildern im 6 x 6-Format passten dagegen zwölf Bilder auf einen normalen Film. Es gab Profivarianten, die doppelte Länge besaßen. Diese sind auf eine kleinere Spule gewickelt, um nicht allzu dick zu sein. Am Rande sei bemerkt, dass man beim Einsatz von Diapositiven damals den Vorteil hatte, nicht zwingend Abzüge anfertigen zu müssen, da die Bilder ja bereits so groß waren wie einige damals gängige Abzugsgrößen.

2. Die Vorteile

Die Entwicklung ging im Laufe der Zeit „rückwärts“. Die Filme wurden immer kleiner, um den Bau kleinerer Kameramodelle zu ermöglichen und für den Konsumermarkt attraktiv zu machen. Das Aufnahmeformat ist der maßgebliche Faktor, wie kompakt sich eine Kamera bauen lässt – das ist auch im digitalen Zeitalter nicht anders. Insofern hat man mit den Weiterentwicklungen eigentlich ständig Nachteile „hinzugewonnen“ – die kleineren Fotos zeigen auch weniger Details. Außerdem fielen Unzulänglichkeiten bei Abzügen stärker auf, weil der Vergrößerungsfaktor ja viel höher ist. Das ist auch der Grund dafür, dass sich das Mittelformat bis in die 1990er-Jahre gut halten konnte. Die Fotografen – Profis wie Amateure – schätzten den Detailreichtum der Aufnahmen. Auf der großen Fläche ließen sich viel mehr Details darstellen als auf der kleinen Fläche eines Kleinbildfilms. Erst mit dem Erfolg der Digitalkameras verblasste das Mittelformat, was in den immensen Produktionskosten für die Kameras begründet ist. So sind digitale Mittelformatkameras für Fotoamateure unerschwinglich und werden es auch noch für lange Zeit bleiben.

3. Die Nutzer

Vom Beginn der Fotografie an hat sich der Rahmen der Anwender verändert. Am Anfang waren die Plattenkameras so komplex und schwierig zu bedienen, dass nur Profis fotografierten. Mit den Mittelformatkameras war es auch erstmals Hobbyfotografen möglich, zu fotografieren. Man konnte die Kamera mit sich herumtragen, weil sie nicht mehr derart sperrig war wie die Plattenkameras. Auch war es nun erstmals möglich, mehrere Bilder nacheinander zu schießen. So waren auch Schnappschüsse möglich. Für Profis wurden zwar immer noch sehr leistungsfähige – aber sehr teure – Mittelformatkameras hergestellt; daneben etablierten sich aber die spottbilligen Kameras für den Massenmarkt. Durch die sehr niedrigen Preise fanden immer mehr Leute Spaß am Fotografieren. So reagierten die Kamerahersteller mit entsprechenden Automatiken. Grundlegende Einstellungen übernahm nun die Kamera – darum brauchte sich der Hobbyfotograf nicht zu kümmern. Gerade in den 1960er-Jahren waren Mittelformatkameras regelrechte „Volkskameras“, die abgebildete Agfa Clack (etwa 1963) kostete damals gerade einmal 20 DM. Sie nahm Bilder im 6 x 9-Format auf. Von der Kamera wurden rund 1,6 Millionen Exemplare verkauft. Mit der Mittelformat-Fotografie wurde die Fotografie also erstmalig auch für den „ganz normalen Menschen und Hobbyfotografen“ möglich. Dieser Trend hält auch in der heutigen digitalen Zeit immer weiter an. Die Kleinbild- und die Kompaktkameras waren weitere Zwischenschritte.

Die große Fotoschule II - Mittelformat
Die Agfa Clack war in den 1960er-Jahren ein riesiger Verkaufsschlager.

4. Die Kameras

Mittelformatkameras gab es in den unterschiedlichsten Ausführungen und Varianten. So waren zweiäugige Kameras lange Zeit das Maß der Dinge. Einäugige Spiegelreflexkameras eroberten später den Markt bei den professionellen Fotografen. Die abgebildete Rolleiflex 6006 von Mitte der 1980er-Jahre ist das Beispiel einer beliebten und verbreiteten einäugigen Kamera.

Bei den professionellen Modellen war es so, dass man das Rückteil abnehmen konnte, in dem der Film untergebracht war. Dies hatte den Vorteil, dass man während einer Aufnahmesession Filme mit unterschiedlichen Empfindlichkeiten verwenden konnte. Bei der Digitalisierung versuchten die Hersteller zunächst, einfach digitale Rückteile bereitzustellen. Inzwischen gibt es aber speziell für die digitalen Erfordernisse entwickelte Modelle, zum Beispiel von Hasselblad oder Linhof.

Die große Fotoschule II - Mittelformat
Im Rückteil wurde der Film untergebracht – hier ist es geöffnet.

Die Modelle für den Massenmarkt hatten eine gewisse Ähnlichkeit mit der ursprünglichen Camera obscura (der Lochkamera). Die sehr beliebten Boxkameras waren leere Quader mit einem Objektiv. Eine geöffnete Zeiss Ikon sehen Sie in der Abbildung. Der rote Kreis im Gehäuse (links) diente zur Anzeige der Bildnummer, die auf dem Film aufgedruckt war.

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Die Boxkameras für den Massenmarkt hatten nur wenige Bedienelemente.
Die große Fotoschule II - Mittelformat
Die für den Massenmarkt bestimmten Boxkameras, die von etwa 1930 bis in die 1970er-Jahre produziert wurden, kosteten meist um die 20 DM.

Fachbegriffe beim Mittelformat

Einige Fachbegriffe werden Ihnen im Zusammenhang mit dem Mittelformat immer wieder begegnen. Einige wichtige Fachbegriffe haben wir hier für Sie zusammengestellt:

Format Bei der analogen Fotografie kamen unterschiedliche Formate zum Einsatz. Die gängigsten Formate waren dabei das Großformat (Bildgrößen ab 9 x 12 cm), das Mittelformat (Bildgrößen bis etwa 6 x 9 cm) und das Kleinbildformat (24 x 36 mm). Dazu kamen diverse Spezialformate, die noch kleinere Formate hatten.

Seitenverhältnis Im Mittelformat wurden mehrere unterschiedliche Seitenverhältnisse mit den verschiedenen Filmformaten vorgegeben. Während das 6 x 9-Format das 2:3-Seitenverhältnis hatte, das auch bei den Kleinbildkameras verwendet wurde, war das Bild beim 6 x 6-Format quadratisch, sodass andere Bildgestaltungen möglich waren. Beim außerdem gängigen 6 x 7-Format sprach man vom sogenannten Idealformat, da es dem Blickfeld des Menschen in etwa entspricht. Dennoch war dieses Seitenverhältnis nicht so weit verbreitet wie die beiden anderen Formate.

Rollfilm Im Mittelformat wurden sogenannte Rollfilme verwendet, die im Gegensatz zum Kleinbildfilm keine Perforation besaßen. Rollfilme trugen Nummernbezeichnungen zur Unterscheidung der Größe. Der bekannteste Rollfilm ist der 120er, mit dem Bildgrößen in den Maßen 4,5 x 6, 6 x 6, 6 x 7 und 6 x 9 cm aufgenommen wurden. Daneben gab es Formate mit einer niedrigeren Höhe, wie etwa den 127er, der Formate von 3 x 4, 4 x 4 und 4 x 6,5 cm aufzeichnen konnte.

Boxkameras Im Mittelformat wurden für den Konsumermarkt oft die sogenannten Boxkameras angeboten. Dabei handelte es sich um sehr einfache Kameramodelle für Rollfilme, die quasi nur aus einem einfachen Quader mit einem Objektiv und wenigen Bedienelementen bestanden. Dieser Kameratyp wurde etwa von 1900 bis 1970 produziert, wobei er seine Höhepunkt in den 1950er-Jahren erreichte.

Frage an den Experten

Michael Gradias

Hat das Mittelformat noch Vorteile?

Hier muss man sehr stark unterscheiden zwischen den engagierten Fotoamateuren und den Profis. Im analogen Zeitalter war es so, dass die Mittelformatkameras wegen der guten Auflösung sehr beliebt waren. Es gab sündhaft teure Modelle, beispielsweise von Rollei oder Hasselblad, die von Profis gerne eingesetzt wurden. Parallel gab es aber diverse Imitate – meist aus China –, die derart günstig waren (einige Hundert DM), dass auch viele Amateure Spaß daran gefunden haben, im Mittelformat zu fotografieren. Daher war das Mittelformat zu analogen Zeiten sowohl im Profi- als auch im Amateurbereich recht weit verbreitet. Im digitalen Zeitalter hat sich dies aus nachvollziehbaren Gründen völlig geändert.

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