Software: Test des Monats - Heft 10/2002 (S. 124) 2 Seiten

Corel Draw Graphics Suite 11 Beta gegen Zoner Draw 4

Vektorgrafikprogramme ermöglichen aufwendiges Zeichnen und Konstruieren - und damit auch hohe Qualität. Umso wichtiger ist es, dass sich die vielen Werkzeuge intuitiv bedienen lassen.

Mit Vektorgrafikprogrammen lassen sich anspruchsvolle Aufgaben lösen. Doch das Zeichnen kann einen erheblichen Arbeitsaufwand mit sich bringen, besonders wenn es sich um komplexe Formen handelt. Gelegenheitsanwender, die mit Vektorgrafik-Software nur ab und zu Einladungskarten gestalten wollen, sind besonders auf Alltagstauglichkeit und gute Benutzerführung angewiesen.

Corel Draw hat eine lange Tradition unter den Grafikprogrammen. Die brandneue Corel Draw Graphics Suite 11, die uns in der englischsprachigen Betaversion vorlag, umfasst wieder mehrere Programme, mit denen sich Vektorgrafiken, aber auch Pixelbilder bearbeiten lassen. Die endgültige Version soll bei Erscheinen dieser Ausgabe im Handel sein. Ein Geheimtipp für Preisbewusste ist Zoner Draw 4 - die Software ist bei weitem nicht so bekannt wie Corel Draw. Sie bietet kein Tool zum Bearbeiten von Pixelbildern, lässt sich aber gut bedienen.

Wir lassen also diesmal zwei Extreme gegeneinander antreten: das schlanke, preisgünstige und noch wenig bekannte Zoner Draw gegen das große relativ teure und weit verbreitete Grafikpaket Corel Draw - David gegen Goliath. Wir bewerten nicht nur den Funktionsumfang, sondern auch schnelle Erlernbarkeit und Praxisnutzen. Als Alternativen zu den beiden Duellanten bietet sich etwa Xara X an, ein kostengünstiges, leistungsfähiges Programm für 149 Dollar (www.xara.com), oder Adobe Illustrator 10 für rund 560 Euro (www.adobe.de), die Standard-Software für professionelle Vektorgrafik.

Corel Draw Graphics Suite 11 - Viele Tools, kaum Übersicht

Das Paket von Corel für Windows 98/ME, NT 4, 2000 und XP tritt mit dem Anspruch an, Vektorgrafik-Aufgaben ebenso wie Bildbearbeitung professionell erledigen zu können - auch animierte Web-Grafiken lassen sich erstellen. Außerdem gehören wieder der Font Navigator für die Schriftenverwaltung, Capture für Bildschirmfotos und Trace zum Vektorisieren von Bitmap-Bildern zum Paket. Damit ist es eine Rundumlösung für Grafiker, die durch eine umfangreiche Clipart-Sammlung ergänzt wird.

Die Installation dauert eine Weile, klappt aber gut - die Standardinstallation beansprucht etwa 200 MB. Träge ist nach wie vor der Programmstart.

Die Neuerungen bei den Werkzeugen liegen überwiegend im Detail. Erwähnenswert sind die neuen 3-Punkt-Werkzeuge. Sie erleichtern das spätere Drehen der konstruierten Objekte. Doch haben die Entwickler es meist versäumt, die neuen Funktionen in bestehende Werkzeuge zu integrieren. Stattdessen kamen einfach weitere Werkzeuge hinzu, die die Bedienung zusätzlich komplizieren.

Um die vielen Funktionen in den Griff zu bekommen, ist ein erheblicher Lernaufwand nötig. Nützliche Werkzeuge von eher überflüssigen zu trennen, fällt schwer. Auch ist ein Manko vergangener Versionen noch immer nicht korrigiert: Viele Funktionen lassen sich auf verschiedene Weise aufrufen. So kann das Transformieren von Objekten über die am Arbeitsbereich angedockten Fenster, die Eigenschaftsleiste, die Menübefehle oder einfach per Drag & Drop erfolgen, was den Einsteiger verwirrt.

Das Bildbearbeitungsprogramm Photo Paint wurde ebenfalls geringfügig verbessert. Aber auch hier ist vieles nur schwer zu finden. Der Leistungsumfang kommt dem des Markführers recht nahe und ist daher für Fortgeschrittene interessant. Die Arbeitsgeschwindigkeit überzeugt auch bei großen Dateien.

Corel Rave bietet in in der zweiten Version Animationsfähigkeiten, wie sie aus Flash bekannt sind. Da Flash auch nicht in allen Bereichen anwenderfreundlich ist, ist Rave für Kenner der Corel-Produkte eine interessante Alternative.

Zoner Draw 4: Schlankes Tool mit allen wichtigen Funktionen

Das Paket läuft in Version 4 unter Windows 95/98/ME, NT4, 2000 und XP. Zu Zoner Draw 4 gehört neben dem Vektorgrafikprogramm ein Tool zum Optimieren von GIF-Grafiken. Auch ein Media Explorer ist vorhanden. Er beherrscht gängige Bildformate und kann Video- sowie Sounddateien öffnen. Das beiliegende Programm Viewer kann nicht nur Dateien anzeigen. Es erlaubt auch Änderungen der Bildinhalte von Pixelbildern, etwa das Anpassen von Schärfe, Helligkeit und Kontrast. Obwohl sogar einige Effektfilter vorhanden sind, ist das Programm keine vollständige Bildbearbeitung.

Ansehnlich und modern sind die mitgelieferten Clipart-Motive. Im Vergleich zur Vorversion sind Import und Export sowie die Anti-Aliasing-Ansicht verbessert. Die Installation benötigt vergleichsweise wenig Plattenplatz: Standardmäßig sind nur rund 25 MB Festplattenspeicher nötig. Nach dem sehr schnellen Start des Programms fällt die aufgeräumte Oberfläche auf. Nur wenige Fly-out-Menüs in der Werkzeugleiste und wenige angedockte Fenster - das hält die Funktionen übersichtlich. Viele Aufgaben lassen sich per Drag & Drop erledigen.

Alle Funktionen, die Anwender für das Erzeugen von Grafiken erwarten, sind vorhanden, beispielsweise Boolsche Operatoren zum Erzeugen Komplexer Formen. Auch das Angleichen von Objektgrößen, vielseitige Transparenzeffekte oder perspektivische Verzerrungen sind kein Problem. Zoner Draw arbeitet sehr schnell, auch bei großen Dateien gibt es keine Schwierigkeiten. Aufgrund der klaren Programmstruktur finden sich auch Einsteiger sofort zurecht. Zwar gibt es bei weitem nicht so viele Funktionen wie bei Corel Draw, doch werden Anwender keine für gängige Aufgabenstellungen wichtige Funktion vermissen.

Ein wichtiger Nachteil von Zoner Draw ist die mangelnde Kompatibilität des Dateiformats. Andere Programme können mit dem Zoner-Format ZMF nicht umgehen. Beim Export beispielsweise ins EPS-Format gehen aber programmspezifische Eigenschaften verloren, beispielsweise Ebenen. Falls sich Zoner Draw nicht etablieren kann, werden Anwender vielleicht Schwierigkeiten beim Weiterverwenden älterer Daten bekommen.

Fazit

Zoner Draw 4 siegt mit seinem pragmatischen Ansatz

Hinsichtlich der Praxistauglichkeit hat Zoner Draw 4 die Nase vorn. Es zeichnet sich durch eine übersichtliche Programmoberfläche und intuitive Bedienung aus. Das war ausschlaggebend für den Sieg. Hier musste Corel Draw klar zurückstecken - der Anwender erstickt förmlich in den vielen Funktionen. Einen Vorteil hat Corel Draw beim Umfang der Software: Photo Paint und die Zusatz-Tools überzeugen. Dafür kostet das Paket aber ein Vielfaches des Preises von Zoner Draw 4.