Fachartikel

In den Jahren 1992 und 1993 erschien eine Artikelserie von mir in PHOTOMED', einer Zeitschrift für die wissenschaftliche Fotografie. Die Leser dieser Zeitschrift - vorwiegend Wissenschaftler - waren keine "Computerfreaks". Entsprechend sind alle Artikel allgemeinverständlich gehalten. Nachfolgend finden Sie alle erschienenen Artikel aufgelistet. Eine kurze Beschreibung zeigt Ihnen, worum es in dem Artikel geht.

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Vision oder Realität?

Vision oder Realität?

Computergrafik Teil 2: Heft 3/1992 (S. 196)

Mit Hilfe des Grafik-Computers können Bildvorlagen global oder partiell idealisiert werden, ohne daß der Betrachter die Möglichkeit hat, die Veränderung im nachhinein noch festzustellen. Dadurch ergeben sich zahlreiche neue Gestaltungsmöglichkeiten, aber auch einige Gefahren.

Autor

Michael Gradias

Michael Gradias
Grafik-Designer und Fotograf
Grafisches Atelier Michael Gradias
Sternhaus
38284 Wolfenbüttel

Einer der interessantesten und vielseitigsten Bereiche in der Computergrafik ist die Bildbearbeitung. Gerade hier liegen aber auch einige Gefahren. In der Umgangssprache sagt man: "aber es steht doch schwarz auf weiß geschrieben" und meint damit wahrscheinlich, daß dies dadurch die Wahrheit sein muß. In der heutigen Medienlandschaft sollte man weder uneingeschränkt glauben, was schwarz auf weiß geschrieben steht, noch was man als Fotos abgedruckt sieht.

Bereits in früheren Jahrhunderten wurden die gemalten Porträts von hohen Persönlichkeiten mehr oder weniger stark "idealisiert". Was schon damals oft praktiziert wurde, hat sich bis jetzt nicht geändert. Heute werden Werbefotos stark retuschiert um die Werbeaussage zu verstärken, beim Film und beim Theater werden Kulissen aufgebaut, um eine nicht existente Wirklichkeit vorzutäuschen, und auch beim Foto kommt es letztendlich entscheidend auf den Ausschnitt an, den man wählt. Wie jeder Fotograf weiß, kann man durch Verschieben des Bildausschnitts um wenige Millimeter den Inhalt eines Bildes zu einer positiven oder negativen Aussage beeinflussen.

Will man die Bildaussage eines Fotos verändern, nachdem das Motiv auf den Film gebannt ist, blieb bisher nur die aufwendige Arbeit im Labor. Auch vor dem Computerzeitalter waren damit zahlreiche Manipulationen möglich, sie waren allerdings meistens sehr aufwendig. Dazu kam die Tatsache, daß eine Manipulation am Bild oft leicht nachzuweisen war, da sich das Negativ des manipulierten Bildes nach wie vor im Originalzustand befand.

Vieles hat sich in der Weiterbearbeitung von Fotos und grafischen Vorlagen geändert, seit der Computer auch in diese Gebiete vorgedrungen ist.

Original oder Duplikat?

Im grafischen Bereich gibt es praktisch keine Entwürfe mehr. Die Grenzen zwischen Entwurf und Reinzeichnung sind ebenso verschmolzen wie die Grenzen zwischen Original und bearbeitetem Bild. Wird im Computer ein Bild kopiert, hat man im Prinzip zwei Originale. Ein Unterschied zwischen dem Original und der Kopie ist damit nicht mehr vorhanden. Das hat zur Folge, daß auch eine veränderte Originalvorlage als ein Original bezeichnet werden muß.

Wenn bei einem grafischen Entwurf die nötigen Änderungen eingefügt werden, kann derselbe Entwurf ebenso als endgültige Reinausführunq verwendet werden.

In der herkömmlichen, manuellen Verfahrensweise wurden Entwürfe in den meisten Fällen extra angefertigt, um die spätere Wirkung vorher beurteilen zu können. Erst danach wurden die Reinausführungen hergestellt. Anschließende Änderungen waren umständlich und teuer. War einmal eine Farbe festgelegt, so war es außerordentlich schwierig, wenn nicht gar unmöglich, diese zu verändern.

Neue Arbeitsabläufe

Durch die neu gewonnenen Möglichkeiten mit dem Computer haben sich die bisherigen Arbeitsabläufe stark verändert. Heute ist ein Foto nur noch die Vorlage für eine weitere Bearbeitung, und ein grafischer Entwurf ist möglicherweise bereits die endgültige Reinzeichnung. Wie alles im Leben hat auch diese Entwicklung zahlreiche Vorteile ebenso wie große Nachteile.

Wenn grafische Vorlagen mit Hilfe des Grafik-Computers hergestellt werden, braucht niemand mehr Bedenken zu haben, wenn nach der Fertigstellung noch Änderungswünsche eingearbeitet werden sollen. Es werden dadurch kaum zusätzliche Kosten verursacht. Außerdem sind Änderungen auch bis zur letzten Sekunde möglich.

Ein Fotograf braucht sich keine Gedanken mehr darüber zu machen, ob im Hintergrund seines Fotos ein sehr unschöner Gegenstand zu sehen ist, der beim Blick durchs Objektiv übersehen wurde. Dieser Gegenstand wird ohne Schwierigkeiten nachträglich aus dem Foto entfernt.

Auch die endgültigen Farben müssen nicht von Beginn an feststehen. Soll die Farbe eines Gegenstandes später verändert werden, ist das mit geringem Aufwand möglich.

Vor- und Nachteile

Sicherlich fragt man sich nun, wo dann die Nachteile dieser neuen Technik liegen sollen.

Jedem, der die Möglichkeiten der Bildveränderung einmal an praktischen Beispielen gesehen hat oder an eigenen Vorlagen erfahren hat, was heute technisch möglich ist, fällt es anschließend schwer zu glauben, was er liest oder "mit den eigenen Augen gesehen hat". Man kann heute nicht mehr beurteilen, ob das, was man auf Fotos sieht, auch wirklich real existiert hat, oder ob es sich um ein manipuliertes, zum Teil künstliches Bild handelt. Wenn der Hinweis auf eine Manipulation einer Vorlage fehlt, wird die Beurteilung um so schwerer. Ohne zu übertreiben, kann man feststellen, daß jede gewünschte Veränderung einer Vorlage mit Unterstützung des Computers möglich ist.

Fast jedes Foto, das man heute in einer Zeitschrift sieht, ist wahrscheinlich idealisiert oder sogar manipuliert. So ist es zum Beispiel im Bereich der wissenschaftlichen Fotografie ohne Schwierigkeiten möglich, ein Lebewesen oder eine Zellstruktur mit einem Foto zu zeigen, das real überhaupt nicht existiert. Und man kann die Manipulation am Bild letztendlich weder erkennen noch nachweisen.

Auf ein Bildbeispiel zu derartig extremen Manipulationsmöglichkeiten wurde bei diesem Artikel bewußt verzichtet. Man sollte deshalb sehr kritisch beurteilen, was in Zeitschriften in Form von Fotos zu sehen ist.

Neue Möglichkeiten

Mit dem Computer hat der Grafik-Designer heute zahlreiche neue Möglichkeiten, seinen Entwürfen stärkere Aussagekraft zu verleihen.

Herkömmliche didaktische Mittel, wie zum Beispiel der Pfeil, um auf einen bestimmten Bereich des Bildes oder der Grafik hinzuweisen, sind heute meistens überflüssig.

Entscheidende Bereiche eines Bildes können durch zahlreiche verschiedene Effekte besonders hervorgehoben werden. Innerhalb eines Fotos können Bereiche partiell eingefärbt werden, wie dies an Abbildung 1 gezeigt werden soll. Das vorliegende schwarzweiße Foto wurde mit einem Scanner in den Computer übertragen und mit einem pixel-orientierten Programm bearbeitet. Dabei wurden, wie in Abbildung 2 zu sehen ist, die hervorzuhebenden Teile der Vorlage in einer anderen Farbe eingefärbt und die nötigen Beschriftungen eingefügt. Bei der zweiten gezeigten Variante der Veränderung (Abb. 3) wurde ein Mittel verwendet, was manuell außerordentlich zeitaufwendig gewesen wäre, welches jedoch mit Hilfe der im Computer vorhandenen Effekte sehr leicht zu realisieren war. Es wurde der Hintergrund des Bildes unscharf dargestellt, die entscheidenden Teile der Bildvorlage wurden dagegen scharf belassen.

Vision oder Realität?
Abb. 1: Für einen wissenschaftlichen Trickfilm wurde dieses Foto in den Computer eingelesen.
Vision oder Realität?
Abb. 2 und 3: Dabei wurden auf der Ventralseite eines Stolo eines Polychaeten die Spermien farblich hervorgehoben. Eine Alternative zur Abbildung oben wird mit dem unteren Bild gezeigt, wobei hier der Hintergrund unscharf dargestellt wurde.

Ebenso wie in diesem gezeigten Muster der Hintergrund unscharf dargestellt wurde, könnte man den Hintergrund auch schwarzweiß und die hervorgehobenen Teile farbig darstellen, um nur ein weiteres Beispiel zu nennen. Hier sind der Kreativität des Grafikers kaum Grenzen gesetzt.

Dieses Bild soll nur ein Beispiel dafür sein, welche neuen Möglichkeiten sich mit Hilfe des Computers ergeben. Durch die in diesem Motiv vorhandenen diffizilen Strukturen wäre bisher eine andere, manuelle Bearbeitung kaum möglich gewesen. Man hätte dafür sehr aufwendige Verfahren einsetzen müssen, um die nötigen Masken herstellen zu können.

Die Voraussetzungen

Jeder Grafik-Designer wird über die vielseitigen Gestaltungsmöglichkeiten begeistert sein, die ihm der Grafik-Computer verspricht.

Ein wichtiger Hinweis wird von der Werbung leider oftmals nicht erwähnt. Der Computer kann zwar vorhandene Kreativität fördern und dem Grafiker zahlreiche zusätzliche Möglichkeiten zur Bildgestaltung anbieten. Niemand darf aber glauben, daß ein Computer Kreativität ersetzen kann. Aus einem manuellen Grafiker ohne Ideen wird auch mit dem teuersten Grafik-Computer kein kreativer Gestalter werden.

Die ideale Zusammensetzung sollte daher eine kreative Ausbildung und zusätzlich technisches Interesse sein.

Verfügt der Grafiker daneben noch über die Möglichkeit, einen Computer selbst programmieren zu können, sind der Kreativität keine Grenzen mehr gesetzt.

Die Programme

In diesem Zusammenhang sollte auch darauf hingewiesen werden, daß im Rahmen dieses Beitrages gezielt keinerlei Programmnamen genannt werden, da alle gezeigten Grafiken mit Funktionen aus ungefähr einhundert verschiedenen Programmen bearbeitet wurden. Fehlende Programmfunktionen wurden durch eigens dafür geschriebene Programme ersetzt.

Die besten Ergebnisse können nicht erreicht werden, wenn ausschließlich ein bestimmtes Programm benutzt wird, sondern nur, wenn aus verschiedenen Programmen die jeweils geeignete Funktion ausgewählt wird, um das aktuelle Problem schnell und effektiv zu lösen.

Es wäre sicherlich ein Wunsch vieler grafischer Anwender an die Programmentwickler, ein einziges Programm zu schreiben, mit dem man alle Probleme lösen kann, die ein Grafiker bei seiner täglichen Arbeit zu bewältigen hat. Eigentlich müßte aber jeder Softwareverkäufer zugeben, daß es diese Lösung bisher nicht gibt und auch in der Zukunft niemals geben wird. Es ist das durchaus gängige Verfahren, ständig zwischen den verschiedenen Programmen zu wechseln, um letztendlich das gewünschte Ergebnis zu erhalten.

Vision oder Realität?
Abb. 4: Bei diesem autoradiografischen Bild eines histologischen Schnitts durch den Zwischen- und Mittelhirnbereich einer Erdkröte wurden die bildwichtigen Teile freigestellt und bestimmte Bereiche hervorgehoben.

Die Technik

Es gibt zahlreiche Varianten, um eine Bildvorlage in den Computer einzugeben. Für Fotos oder Dias kann man Scanner benutzen, welche die gewünschten Fotovorlagen als Pixelbilder in den Computer übertragen. Hierbei kann man verschiedene Auflösungsqualitäten auswählen.

In welcher Auflösung eine Vorlage eingescannt werden sollte, hängt davon ab, wofür das Bild später verwendet wird. Alle Arbeiten, die nach der Verarbeitung für den Druck bestimmt sind oder als Dias ausbelichtet werden, sollten in möglichst hoher Auflösung eingelesen werden.

Es besteht die Möglichkeit, die Auflösung der Bilder nachträglich durch Interpolation oder Reduzierung der Bildpunkte zu verändern. Beim Interpolieren werden vom Computer einzelne Bildpunkte zwischen die eingescannten Punkte eingefügt, die in Farbe und Inhalt eingemittelt werden. Wird die Auflösung verringert, werden Bildpunkte aus der Vorlage entfernt. Beide Verfahren können jedoch nur eine Notlösung sein.

Eine exakte und qualitativ hochwertige Lösung kann man allerdings nur erreichen, wenn das Bild von Beginn an in hoher Auflösung in den Computer eingelesen wird. Man sollte sich natürlich darüber im klaren sein, daß mit Höhe der Auflösung auch ganz entscheidend die Dateigröße beeinflußt wird.

Hat man keinen Scanner zur Verfügung, können die Vorlagen auch mit Hilfe einer Videokamera oder eines Videorecorders in den Computer eingelesen werden. Die Qualität ist dabei allerdings durch das deutlich geringere Auflösungsvermögen dieser Geräte gegenüber einem Scanner erheblich schlechter.

Die Hardware

Bei Vorlagen, die mit Hilfe von pixelorientierten Bildbearbeitungsprogrammen verändert werden sollen, muß man von vornherein mit sehr umfangreichen Dateigrößen umgehen können. Je größer die zu bearbeitende Datei ist, um so mehr Zeit muß für die Bearbeitung eingeplant werden. Jeder einzelne Vorgang verlängert sich enorm. Außerdem sollte der verwendete Rechner für diese Aufgabenstellung mit entsprechendem RAM-Speicher zur schnelleren Bearbeitung ausgerüstet sein.

Vision oder Realität?
Vision oder Realität?
Abb. 5 und 6: Bei diesem Längsschnitt einer Cilie eines Einzellers wurden alle störenden Bildteile entfernt, und die Qualität des Bildes sowie der Bildausschnitt optimiert. Außerdem wurde das Foto global eingefärbt.

Als erster Schritt muß nach dem Einspannen der Vorlage das gesamte Bild optimiert werden. Hierbei sollten der Kontrast und die Helligkeit sowie der Farbton den Wünschen angepaßt werden. Erst danach kann man mit der Bildbearbeitung beginnen.

Für eine genaue, bildpunktorientierte Bearbeitung sollte eine Grafikkarte im Rechner installiert sein, die mit einer Farbtiefe von 24 Bit arbeitet, womit eine Farbpalette von 16 Millionen Farben zur Verfügung steht. Wichtig ist zudem, daß der verwendete Monitor diese Farben auch darstellen kann.

Ist das nicht der Fall, werden die Farbverläufe am Bildschirm in aufgerasterter Form gezeigt. Je nach Grafikkarte werden dabei zwischen 16 und 256 verschiedene Farben auf dem Monitor gleichzeitig dargestellt. Diese Farbanzahl reicht zur exakten Bildbearbeitung natürlich nicht aus.

Bei der Zusammenstellung der Hardware darf man gerade an der Farbgrafikkarte und dem Monitor nicht sparen. Wird eine gute Grafikkarte verwendet, sehen die Bilder während der Bildbearbeitung exakt so aus, wie man sie beim späteren Druck auch sieht.

Die Modifizierungsvarianten

Bei der Bildbearbeitung sollte man zwei verschiedene Bereiche trennen. Zum einen gibt es zahlreiche Effekte, die das zu bearbeitende Bild in seiner Gesamtheit verändern. Dazu werden die gemeinhin bekannten Effekte zur Bildoptimierung gezählt, mit denen man ein Bild im Kontrast, der Helligkeit oder der Farbnuancierung verändert. Selbstverständlich lassen sich auch Schärfe und Ausschnitt eines Bildes nachträglich optimieren. Zusätzlich sind zahlreiche, kommerziell erhältliche Spezialeffekte verfügbar.

Zu diesen Effekten zählen Strukturen, mit denen man Bilder so darstellen kann, als seien sie auf einem strukturiertem Untergrund gemalt, oder Spezialeffekte, bei denen das Bild im Gesamten geprägt wirkt, wie das Bildmuster in Abbildung 8 es zeigt. In diesen Bereich fallen zahlreiche vorgefertigte Effekte. So kann man unter anderem Bildteile mit Schatten unterlegen, bestimmte Farben freistellen oder Bilder in transparenter Form wiedergeben. Oftmals führt eine Kombination aus Realbild und computerunterstützter Grafik zu dem gewünschten Ergebnis. Ein Beispiel für dieses Verfahren zeigt Abbildung 14. Hierbei wurde auf ein reales Bild eine transparente 3D-Grafik gelegt. Mit Hilfe dieses Verfahrens konnte dargestellt werden, wie der Magen-Darm-Trakt der gezeigten Termite gestaltet ist.

Abb. 7 und 8: Bei dem Foto wurde ein Spezialeffekt angewandt, der einfach zu realisieren ist, da diese Bildveränderung zu den Standardfunktionen vieler Programme gehört. Die Tiefe der Prägung kann dabei ebenso variiert werden wie die Farbtöne der Kanten und der Gesamtfläche.

Abb. 9 und 10: Mit dieser Bildmanipulation sollen die Möglichkeiten gezeigt werden, die dem Gestalter mit Hilfe der Bildbearbeitungsprogramme zur Verfügung stehen.

Ein ganz anderes Verfahren ist nötig, um Effekte partiell auf ganz bestimmte Teile eines Bildes anzuwenden.

Bei dieser Bearbeitung muß zuerst eine Maske des Bildes angefertigt werden, die alle Teile des Bildes abdeckt, die für den späteren Effekt nicht benötigt werden. Anschließend wird der gewünschte Effekt auf das maskierte Bild übertragen. Alle maskierten Bildteile bleiben dabei in ihrem Originalzustand.

Alle bislang beschriebenen Verfahren beziehen sich auf eine Bearbeitung des Bildes, bei dem einzelne Bildpunkte oder Gruppen von Bildpunkten verändert werden. Wie auch jedes Foto trennt ein Computer eine Vorlage in einzelne Punkte auf. Bisher war es so, daß ein Foto aus erheblich mehr einzelnen Punkten bestand als ein Computerbild. Deshalb ist bis heute ein Foto von einem Negativ oder einem Dia immer hochwertiger als ein Bild, das im Computer bearbeitet wurde.

Seit kurzem können Fotos im Fachlabor auf Photo-CDs überspielt werden, so daß sie anschließend sofort für den Computer verfügbar sind. Das Einscannen der Fotos entfällt somit. Diesem Verfahren, das unter anderem Kodak entwickelt hat, mag die Zukunft gehören, wenn es auch den gehobenen Ansprüchen gerecht wird.

Vielen ist nicht bewußt, daß ein Foto aus einzelnen Punkten besteht. Beim Foto nennt man die einzelnen Punkte Korn, beim Computerbild Pixel. Bei der Verarbeitung im Computer muß man auf jeden einzelnen Bildpunkt Rücksicht nehmen.

Einerseits hat man damit den Vorteil, gezielt einzelne Punkte bearbeiten zu können, da die meisten Programme über Funktionen verfügen, so nah in das Bild "zoomen" zu können, daß der einzelne Punkt tatsächlich zu erkennen ist. Zum anderen hat man aber den Nachteil, sehr viele einzelne Punkte bearbeiten zu müssen, wenn man ein Bild verändern will.

Im Gegensatz zu pixelorientierten Programmen hat man im Computer die Variante, Bilder im Vektorformat zu bearbeiten. In einer der nächsten Folgen dieses Beitrages wird darauf detailliert eingegangen und aufgezeigt, warum dieses Verfahren für die Verarbeitung von Fotos ungeeignet ist.

Die bedenklichste Art, ein Foto zu manipulieren, ist diejenige, bei der man die Veränderung nicht als solche wahrnehmen kann. Ein Beispiel dafür sollen die Abbildungen 9 und 10 sein. Sicherlich ist die Veränderung deutlich sichtbar, wenn beide Fotos nebeneinander abgedruckt werden.

Ohne das linke Bild zu zeigen, würde man am rechten Bild allerdings kaum eine Manipulation vermuten. Derartige Bildvorlagen waren gemeint, als am Beginn des Artikels auf gewisse Gefahren hingewiesen wurde.

Vision oder Realität?
Abb. 11: Diese Struktur wurde speziell für die Computerarbeit fotografiert. Nach dem Übertragen in den Computer wurde dieses Bild für die verschiedensten Arbeiten benutzt.
Vision oder Realität?
Abb. 12: In diesem Fall wurde ein einfacher Schriftzug mit dem nebenstehenden Foto belegt. Die Grundform spielt dabei keine Rolle. Wird dieser Effekt gezielt eingesetzt, können sehr interessante Wirkungen dargestellt werden.
Vision oder Realität?
Abb. 13: Alle vorliegenden Strukturen können in zweidimensionalen Grafiken ebenso angewandt werden wie in dreidimensionalen Bildern. In diesem Fall wurde ein "Rohr" mit dem oben gezeigten Foto "umwickelt".

In diesem harmlosen Fall ist das Ergebnis eher ironisch gemeint. Ebenso kann das Verfahren aber dazu verwendet werden, Bildinhalte zu verändern, ohne daß dies dem Bildbetrachter deutlich gezeigt wird.

Texture Mapping

Zusätzlich zu der bisher beschriebenen Art der Bildbearbeitung können Fotos auch für rein grafische Vorlagen verwendet werden. Diese Möglichkeit wird mit den Abbildungen 11 bis 13 gezeigt. Das eingelesene Foto einer Holzstruktur wurde in verschiedenen Variationen angewandt. Anhand einer einfachen 2D-Grafik soll gezeigt werden, wie Oberflächenstrukturen auf geometrische Formen übertragen werden können. Das Verfahren, eine Vorlage auf ein Modell zu "projizieren", wird Texture Mapping genannt. Dasselbe Foto kann auch auf dreidimensionale Objekte gelegt werden, wie in der Abbildung 13 belegt ist. Lichter und Schatten werden dabei vom 3D-Programm auf das eigentliche Foto aufgesetzt, so daß dieses Foto nicht mehr als eine Fotografie, sondern als eine Oberflächenstruktur wahrgenommen wird.

Ein weiteres Beispiel für dieses Verfahren soll mit der Abbildung 15 gezeigt werden, bei der das Foto einer Marmorfläche um ein 3D-Modell "gewickelt" wurde. Durch dieses Verfahren können sehr realistische Oberflächen erzeugt werden.

Alle Strukturen können entweder per Foto eingescannt oder von echten Strukturen, wie z.B. Holzbrettern, übernommen werden. Falls das benötigte Objekt zu sperrig ist, um direkt eingelesen zu werden, wird von diesem Gegenstand ein Foto angefertigt, welches anschließend normal eingescannt werden kann.

Sinnvoll ist es sicherlich, sich ein Grundrepertoire mit den am häufigsten benötigten Strukturen anzulegen. Inzwischen werden auch Programme entwickelt, bei denen nicht nur die Oberfläche "belegt" wird, sondern auch entsprechende Oberflächenveränderungen wie Vertiefungen oder Erhöhungen vorgenommen werden.

So lassen sich sehr realistische Oberflächen herstellen, bei denen man zwischen Realität und Computerbild nicht mehr unterscheiden kann.

Die Zukunftsaussichten

Lange Zeit wurden allerdings die Bestrebungen nur darauf gerichtet, mit dem Computer ausschließlich die Realität nachzuahmen. Dieser Weg ist natürlich legitim, er sollte aber in erster Linie eine Erleichterung in der täglichen Arbeit bringen.

So führt das technisch Machbare in den seltensten Fällen zum optimalen Ergebnis. Oftmals sind es nur ganz bestimmte Effekte, die ein Grafiker bei der Realisierung seiner Vorstellungen benötigt. Es ist sehr wichtig, darauf hinzuweisen, daß die rein grafische Wirkung nicht vergessen werden sollte, wenn man eine Computergrafik anfertigt. Den Betrachter interessiert selten, wie eine Grafik entstanden ist. Letzten Endes ist nur der optische Eindruck und der korrekt dargestellte Sachverhalt ausschlaggebend.

Effekte sollten nicht des Effekts wegen eingesetzt werden, sondern nur, um eine spezielle Wirkung zu erreichen. Es wird interessant sein zu beobachten, ob die Gestalter in Zukunft die richtige Mischung zwischen technisch möglichen und grafisch nötigen Effekten finden werden.

Wenn ein Computerkauf geplant wird, sollte man die beschriebenen Punkte beachten und die Hard- sowie Software sorgfältig zusammenstellen. Dabei muß man in Kauf nehmen, daß unter Umständen nur wenige Funktionen eines Programmes für die eigenen Aufgabenstellungen benutzt werden können. Zudem sollte man sich genau überlegen, welche Möglichkeiten der Schulung man nutzen möchte.

Die von den Computerhändlern angebotenen Schulungen sind in den seltensten Fällen empfehlenswert, da die Händler natürlich hauptsächlich am Verkauf ihrer eigenen Produkte interessiert sind. Dadurch kann es zum Beispiel vorkommen, daß man gute Programme nicht empfohlen bekommt, weil der Händler die Produkte einer bestimmten Softwarefirma nicht vertreibt. Statt dessen empfiehlt er ein schwächeres Produkt einer anderen Firma. Hinzu kommt, daß diese Händler kaum professionell mit den Programmen arbeiten, die sie verkaufen. Aus diesem Grund kennen sie auch selten die Probleme, die bei der praktischen Arbeit entstehen.

Vision oder Realität?
Abb. 14: Bei dieser Abbildung des Magen-Darm-Traktes einer Termite wurde die dreidimensionale Grafik mit einem eingescannten Foto kombiniert. Anschließend wurde die 3D-Grafik transparent über die Originalvorlage gelegt.

Es ist empfehlenswert, sich an professionell arbeitende Grafiker zu wenden, da diese mit ihren Schulungen praktisches Wissen und Problemlösungen vermitteln können. Sie kennen die täglich auftretenden Probleme ebenso wie die Fehler der einzelnen Programme. Viele Softwarefehler können durchaus umgangen werden. Mit dieser Problematik haben die Grafiker ständig zu tun. Bei Verkaufsvorführungen der Händler werden Programmfehler natürlich selten angezeigt.

Vision oder Realität?
Abb. 15: In diesem Fall wurde ein eingescanntes Foto einer Marmorstruktur verwendet, um dem Modell ein realistisches Aussehen zu geben.

Zusammenfassung

Die Bildbearbeitung gehört zu einem der interessantesten und vielseitigsten Bereiche innerhalb der Computergrafik. Bedingt durch die Möglichkeit, Fotos in ihrem sachlichen Inhalt verändern zu können, ohne daß der Betrachter es merkt, birgt diese Technik aber auch zahlreiche Gefahren in sich, wenn der Betrachter nicht erfährt, daß Manipulationen vorgenommen wurden.

Die zu bearbeitenden Bilder können über Scanner ebenso in den Computer eingelesen werden wie in geringerer Qualität über eine Videokamera oder einen Videorekorder.

Zur Bearbeitung der Vorlagen stehen die unterschiedlichsten Programme zur Verfügung, wobei verschiedene Grundeffekte bereits in den käuflich erhältlichen Programmen enthalten sind. Diese Effekte können nach den eigenen Wünschen nachträglich modifiziert und ergänzt werden.

Summary

Computer Graphics, Part II: Vision or reality?

Among the many applications of computer graphics, image editing may be one of the most exciting and most versatile. However, since it is now possible to subtly modify the content of photographs in a way that cannot be detected by the observer, this technique is fraught with numerous risks if the observer ist not alerted to the fact that the image has been manipulated.

The images to be edited can be made available to the computer by scanning or -in lesser quality- by using a camcorder or a VCR.

A wide variety of software programs is available for editing the images, with various basic functions already includes in the software. These funktions may be modified and new functions added to suit the user's particular need.

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